
Dienstag 30.7.
Wiebke und ich fahren im Railjet direkt von Innsbruck nach Wien. Am Flughafen treffen wir Wolfgang Melchior. Er steht bei der Gepäckabgabe vor uns, und aufgrund unserer auffälligen Radkartons kommen wir ins Gespräch. Er ist auf dem Weg nach Pakistan, um dort zu fotografieren. Wir unterhalten uns kurz und wünschen uns gegenseitig eine gute Reise, und dann geht es ab zum Flug.
Im Flieger wird ein Mann aus den USA nach Kirgistan abgeschoben. Er wird bewacht, weint und schimpft abwechselnd lautstark und versucht, auf sich aufmerksam zu machen, um den Abflug zu verhindern. Die Stimmung im Flieger ist angespannt. Andere Kirgisen im Flieger wollen ihm helfen, und es kommt zu Diskussionen. Der Abflug verzögert sich.
Wiebke und ich sitzen leider in unterschiedlichen Teilen des Flugzeugs. Wiebke sitzt neben Nura, nur wenige Reihen vom Abgeschobenen entfernt. Nura, eine Kirgisin, die in Deutschland eine Ausbildung macht, übersetzt für Wiebke. Sie unterhalten sich mehrere Stunden, und Wiebke lernt schon viel über Kirgistan kennen. Ich schlafe und schaue einen Film. Meine Sitznachbarn sind leider nicht so gesprächig. Wir haben einen Zwischenstopp in Istanbul.
Mittwoch 31.7. – Bischkek –
Ankunft in Bischkek auf einem kleinen Flughafen. Wir sind in einem muslimischen Land gelandet, und es sind fast nur Männer zu sehen. Wir bekommen viele Taxiangebote, ich verhandle mit einem Fahrer dessen Bruder uns schlussendlich ins eine Stunde entfernte Stadtzentrum von Bischkek bringt. Unterwegs halten wir an, um Geld zu wechseln, damit wir das Taxi bezahlen können. Um 6 Uhr morgens kommen wir im Hotel an und bauen als Erstes die Räder auf. Danach können wir einchecken und schlafen zunächst bis Mittag, um den Jetlag etwas zu entschärfen. Am Nachmittag fahren wir eine Runde mit den Rädern durch die Stadt auf der Suche nach etwas zu essen. Zu unserer Überraschung gibt es sogar bestens ausgebaute Radwege! Außerdem organisieren wir ein paar Dinge. Wiebke holt Gas für unseren Kocher in einem Outdoorgeschäft, während ich draußen auf die Räder aufpasse. Danach kaufe und registriere ich zwei SIM-Karten für uns (10 € für beide mit unbegrenztem Internet für einen Monat!), und wir schauen uns in der Stadt um. In einem kirgisischen Restaurant gibt es Manti und Laghman. Wir verlieben uns sofort in die beiden Gerichte. Ich bin überwältigt vom sowjetischen Baustil. Alles ist sehr protzig und massiv gebaut, eine Materialschlacht vom Feinsten. Wir treffen viele Teenager auf Fixies, was mich sehr an meine Jugend in Chemnitz erinnert. Am Abend machen wir die Räder für den nächsten Morgen zur Abfahrt fertig und gehen früh ins Bett.









Donnerstag 1.8.
Auf dem Weg aus der Stadt suchen wir uns einen großen Supermarkt und füllen dort all unsere Vorräte auf; Wasser, Snacks, Reis, Trockenfrüchte und Nüsse. Extrem viel Kapazität haben wir ohnehin nicht. Gleichzeitig wissen wir auch noch nicht, wie gut die Geschäfte in den dünner besiedelten Regionen bestückt sind. Schwer beladen verlassen wir die Stadt über einen ersten kleinen Pass. Es ist sehr heiß, schließlich liegt Bischkek auf 800 m. Für die Mittagspause machen wir es uns bequem im Schatten eines Baumes. Im Dorf Kegeti suchen wir später einen kleinen Laden und werden direkt mit der Realität konfrontiert. Ich bin überfordert und finde im ersten Moment gar nichts Brauchbares; es gibt zum Großteil nur Süßigkeiten und abgelagertes Gemüse. Wiebke ist zum Glück kreativer und stellt uns ein paar nette Mahlzeiten zusammen. Wenigstens wissen wir jetzt, dass wir in den vielen kleinen Ortschaften nicht allzu viel erwarten dürfen, was die Lebensmittelvielfalt angeht. Als wir vor dem Laden sitzen und kalte Limonade genießen, wird Wiebke von einem älteren Kirgisen mit einem Blumenstrauß beschenkt. Später treffen wir einen Japaner, der sich gerade auf das anstehende Silk Road Mountain Race vorbereitet. Er hat einen kaputten Reifen und schiebt schon seit mehreren Stunden sein Rad den Kegeti Pass hinunter, den Pass, den wir als Nächstes überqueren möchten. Er freut sich sehr uns zu sehen, und ist trotz der Situation in der er sich befindet total positiv. Von dort hat er es nicht mehr weit in die Zivilisation. Wir fahren weiter das Tal hinauf Richtung Pass, bis die Dämmerung einsetzt, und finden einen schönen Schlafplatz, vom Wind geschützt hinter einem großen Stein.
Freitag 2.8. – Kegeti Pass –
Als wir aufwachen, regnet es. Wir bleiben bis 8 Uhr liegen. Nach einem kurzen Frühstück treffen wir bereits nach wenigen Kilometern auf vier Kirgisen, drei Frauen und einen Mann. Die vier halten ein Psychologieseminar ab und laden uns auf Melone und Brot ein. Wir unterhalten uns so gut es geht. Sie sprechen nur sehr spärliches Englisch, wir sprechen weder Russisch noch Kirgisisch. Trotzdem haben wir eine großartige Zeit. Was für ein Willkommen für uns! Der Anstieg zum Kegeti Pass zieht sich. Lange nach der Mittagszeit sind wir noch immer nicht auf Passhöhe. Dazwischen beobachten wir Kirgisen, die mit ihren alten, auseinanderfallenden Autos mit extrem schlechten Reifen im Schotter stecken bleiben und sich wieder befreien. Es nieselt, und wir entscheiden uns, das Zelt aufzubauen für eine Pause. Es gibt Brot, Käse und danach einen kurzen Mittagsschlaf. Nachdem wir das Zelt wieder abgebaut haben, kommen uns zwei Italiener auf Rädern entgegen. Sie erzählen uns, dass gestern und heute die einzigen Regentage auf ihrer 30-tägigen Reise waren. Na dann hoffen wir mal dass es bei uns auch so wenig regnet die nächsten Wochen. Die letzten paar hundert Höhenmeter zum Pass müssen wir schieben. Die Straße ist kaputt und für Fahrzeuge unpassierbar. Mit guter Stimmung und umgeben von Wolke kommen wir auf unserem ersten Pass der Reise auf 3.800 m an. Wir haben seit gestern schon 4.000 Höhenmeter zurückgelegt. Auf der Abfahrt filtern wir Wasser und duschen an einem eiskalten Bach. Es regnet die ganze Zeit leicht. Am Fuße des Passes treffen wir auf eine Herde Pferde und auf Nomadenkinder, die von ihrer Jurte zu uns gerannt kommen. Wir schenken ihnen getrocknete Pflaumen. Eine Kurve weiter bauen wir unser Zelt auf einer Wiese gleich neben der Straße auf. Um uns herum ist eine unbeschreibliche Landschaft: Berge, wilde Bäche und Flüsse, riesige Wiesen, wie bei „Herr der Ringe“, dazwischen mehrere Nomadenvölker mit ihren Tierherden. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen, wir kochen Reis (der leider verbrennt) und würzen mit Knoblauch, Salz und Olivenöl. Ein Klassiker, der uns schon auf vielen Radreisen versorgt hat. Mehr haben wir eh nicht dabei. Als wir ins Bett gehen wollen, kommen die vier Kinder von zuvor gemeinsam mit ihrer Mutter zu unserem Lagerplatz. Sie schenken uns fermentierte Pferdemilch und lassen uns aus ihrer Süßigkeitentüte wählen. Damit heißen sie uns willkommen in ihrem Land. Kurz danach schiebt sich eine riesige Schafsherde direkt an uns vorbei. Weiter weg treiben auch andere Nomaden ihre Herden für die Nacht Richtung Jurten.

















Samstag 3.8. – Karakol Pass –
Heute müssen wir nur über einen kleineren Pass, den Karakol Pass auf 3.455 m. Danach sollte es für 2.000 hm und 150 km bergab gehen. Hört sich eigentlich ganz entspannt an. Wir lernen allerdings schnell, dass alles viel weiter ist und viel länger dauert, als es auf der Karte wirkt. Am Pass angekommen, ist es sehr kalt und windig. Die Abfahrt beginnt mit mehreren Flussdurchquerungen, bei denen wir unsere Schuhe ausziehen und mit Sandalen den Fluss überqueren. Danach werden die Füße getrocknet und aufgewärmt und wieder in die trockenen Radschuhe gesteckt. Am ersten Tag habe ich mich noch gefragt, warum wir diesmal so viel Zeug dabei haben. Nach dem Regen am Kegeti Pass gestern und dem starken Wind heute verstehe ich, dass man hier gerne mindestens eine Schicht mehr am Körper trägt zum Radfahren als bei uns zu Hause mitten in Europa. Zum ersten Mal ziehe ich es vor, eine lange Hose zum Radreisen zu tragen. Wir fahren an vielen Nomaden, ihren Jurten und unzähligen Tieren vorbei, zumeist halb wild gehalten, ohne einen Zaun weit und breit. Wir treffen Kinder im Grundschulalter, die alleine von ihrem Pferd oder Esel eine riesige Schafsherde hüten. Anderswo kommen Kinder aus den Lagern gerannt, die sich oft mehrere 100 Meter von der Straße entfernt befinden. Sie erkennen uns oft lange, bevor wir sie erkennen, und starten ihren Lauf, um uns an der Straße den Weg zu versperren. Oft kennen sie drei Wörter auf Englisch: „Hello“, „Chocolat?“ und „Money?“. Wir haben leider keine Schokolade, wir haben nicht einmal Schokolade für uns selbst, sondern nur Trockenfrüchte. Damit geben sie sich auch zufrieden, auch wenn sie oft mehr von uns erwartet hätten.
Einmal kommt ein Junge sogar von sehr weit her gerannt. Er gibt alles, als würde er um sein Leben rennen. Wir können ihn mehrere Minuten beobachten und treffen uns wie in einem Film zur gleichen Zeit an der Straße. Er, total erschöpft, fragt schnaufend wieder nach Schokolade. Wir können ihm leider trotzdem nur getrocknete Pflaumen anbieten, mehr haben wir nicht, und die Strecke bis zum nächsten Ort ist noch weit. Die Abfahrt zieht sich über den ganzen restlichen Tag; kleinere Anstiege, die auf dem Höhenprofil nicht erkennbar waren, ziehen sich lange. Wir verlieren trotzdem langsam an Höhe, und es wird wieder so heiß wie vor zwei Tagen in der Ebene um Bishkek. Schließlich finden wir mal wieder einen schattenspendenden Baum für eine Pause am Nachmittag. Ein paar Stunden später, einem schweren Gewitter entkommen und mit durchgerüttelten Handgelenken kommen wir am Abend in Kojomkul an, der ersten Ortschaft seit zwei Tagen, wo wir wissen, dass es Verpflegungsmöglichkeiten geben sollte. Wir haben Glück, und der Laden, den wir erst beim zweiten Vorbeifahren erkennen, schließt direkt nach unserem Einkauf. Das Dorf sieht aus, als wäre es zur Hälfte verlassen, und dies ist die einzige Möglichkeit für Verpflegung. Danach fahren wir an den Dorfrand und waschen uns im Fluss. An einem Kriegerdenkmal kochen wir Nudeln, diesmal mit Käse als Extra. Natürlich kommen uns auch wieder Kinder besuchen. Über unsere Übersetzungs-App verhandelt einer von ihnen mit uns; er möchte Taschen, unsere Telefone oder irgendetwas anderes geschenkt bekommen. Wir geben ihnen unseren halben Käse – sie spucken ihn sofort wieder aus. Wir lernen, doch lieber ein paar Schokoriegel extra dabei zu haben, das Snickers was wir ihnen außerdem geben wird schnell verputzt.
Nach dem wir unser Essen aufgegessen haben fahren wir etwas vom Dorf weg und bauen mit idyllischen Ausblick unser Zelt auf.
















Sonntag 4.8. – Chaek –
Es geht weiter bergab, doch davor tausche ich die Hörnchen an meinem Lenker noch mit Wiebkes Hörnchen – in der Hoffnung, dass sie ihre tauben Finger und schmerzenden Handgelenke in den Griff bekommt. Leider stellen sich ihre Hörnchen als nicht ergonomisch genug für ihr Problem heraus – da haben wir zuvor nicht ausreichend getestet. Es geht durch einen wunderbaren Canyon, wir fahren immer weiter hinunter und passieren dabei verschiedene Vegetationszonen. Unglaublich schön! Es ist beeindruckend, wie vielfältig die Landschaft auf unserer Reise bis zu diesem Punkt bereits ist. Unterwegs halten wir in zwei kleinen Ortschaften. Im ersten Ort, Kyzyl-Oi, trinken wir einen wässrigen Kaffee. In Kirchin Village machen wir Mittagspause. Es gibt frisch gebackenes Fladenbrot, leckeren Saft, Snickers und Nüsse. Das kleine Geschäft mit seinem bunten Blumengarten taucht einfach wie aus dem Nichts am Straßenrand auf. Später gelangen wir auf eine Asphaltstraße, die uns Richtung Osten zum Songköl bringen soll. Nach drei Tagen auf Schotterpisten pumpe ich unsere Reifen auf, damit die bevorstehenden 60 km auf Asphalt zügiger vergehen. In der nächsten größeren Stadt, Chaek, treffen wir weitere Radreisende. Dann die große Überraschung: Ich erspähe das Fahrrad meines Freundes Marin! Marin ist mit dem Rad auf dem Weg zum Start des Silkroad-Rennens – wohlgemerkt auf dem Landweg. Ich wusste von seinem Plan, hätte aber nie geglaubt, ihn zufällig zu treffen. Wir kennen uns vom Transcontinental- und Transpyrenees-Race vor ein paar Jahren. Das Wiedersehen ist rührend. Marin hat keinen Stress und entscheidet spontan, uns in die Richtung zu begleiten, aus der er gerade gekommen ist, um den Abend mit uns zu verbringen. Kurz vor der Abzweigung von der Hauptstraße in Kuyruchuk laden wir noch einmal unsere Räder mit Wasser und Lebensmitteln auf und biegen dann auf eine Schotterpiste ab – Richtung Süden, Richtung Berge, Richtung Songköl. Beim Überqueren einer Hochebene flüchten wir mit Vollgas vor einem Gewitter, während Marin mir erzählt, wie das Long-Distance-Racing immer professioneller wird und mittlerweile jeder Topfahrer und jede Topfahrerin mit einem Coach und einem strukturierten Trainingsplan arbeitet. Wiebke hält tapfer durch und bleibt an unseren Hinterrädern. Wir flüchten in einen Canyon und suchen dort, direkt an einem kleinen Wasserlauf, einen schönen Lagerplatz neben der Straße. Es gibt Pasta, Chips und Fisch aus der Dose. Wir reden lange, bevor wir schließlich in unseren Zelten in einen wohlverdienten Schlaf fallen.









Montag 5.8. – Songköl –
Wir verabschieden Marin, und er fährt weiter in seine eigentliche Richtung nach Bischkek. Wir folgen dem immer steiler werdenden Canyon, bis wir auf 3200 m über einen Pass fahren – beziehungsweise schieben, die letzten Meter sind extrem steil und das Wetter wird zunehmend schlechter. Auf der Passhöhe treffen wir einen Kirgisen auf einem Motorrad, mit dem wir uns kurz mit wenigen englischen Wörtern unterhalten. Wir sprechen auch über das Alter unserer Frauen, und er findet es äußerst amüsant, dass Wiebke ein paar Jahre älter ist als ich. Er erzählt, dass seine Frau zehn Jahre jünger sei als er – so gehöre sich das. Haha, andere Länder, andere Sitten. Wiebke genießt derweil ihr neues Leibgericht: getrockneten und geräucherten Käse, der extrem salzig ist. Ich mag ihn nicht so sehr. Die Abfahrt beginnt sanft rollend über Grashügel hinab in Richtung Songköl, vorbei an riesigen gemischten Herden aus Schafen, Pferden und Kühen. Als wir über die Ebene am See entlangfahren, kommen johlend drei junge Kirgisen auf uns zugeritten – und werfen uns ein kopfloses Schaf vor die Füße! Wir wissen nicht recht, ob es sich um ein traditionelles Ritual handelt oder was diese Geste zu bedeuten hat. Später lese ich, dass es eine Disziplin der Kyrgyz Games ist und die Jungs vermutlich geübt haben – oder uns einfach einen Schrecken einjagen wollten. Hat nicht funktioniert, zumindest nicht mit dem Schreck, aber spannend war es trotzdem. Wir fahren mehrere Kilometer am See entlang und erleben die nächste Überraschung: Wir treffen Sam und Bella. Auch Sam kenne ich vom Transcontinental Race vor vielen Jahren. Zunächst erkennen wir uns nicht, doch schnell kommen wir auf unsere gemeinsame Vergangenheit zu sprechen. Nach der Begegnung mit Marin am Vortag ist dieses Wiedersehen erst recht kaum zu glauben. Wir tauschen uns aus und teilen unsere aktuellen Kontaktdaten. Leider fahren sie in die entgegengesetzte Richtung, und so trennen sich unsere Wege wieder – bis wir uns Monate später in Innsbruck erneut treffen. Wir halten an einem der vielen Jurtcamps und buchen eine Jurte für die Nacht, direkt am Fuße des „Peak Connewitz“. Angeblich wurde der Berg von Freunden aus Dresden-Connewitz so benannt, und der Name hat sich auf allen OpenStreetMaps gehalten. Es gibt außerdem leckeres Essen, eine Dusche (= ein Eimer mit kaltem Wasser und einer Schöpfkelle) und ein Plumsklo. Die Erfahrung ist spannend, aber wir entscheiden danach, dass wir das Wildcampen bevorzugen.












Dienstag 6.8. – Baetov –
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Jurtcamp geht es einen weiteren Pass hinauf in Richtung Süden, diesmal nur wenige Höhenmeter, dafür bei grausigem Wetter. Die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt, und es nieselt. Wir tragen alle unsere Klamotten und ich bin mal wieder froh, dass wir diesmal mehr Kleidung dabeihaben als auf vergangenen Reisen in Europa. Am Pass habe ich Durchfall, keine Seltenheit auf dieser Reise bis jetzt. Die Abfahrt ist bitterkalt, aber zum Glück lichtet sich bald der Nebel, und endlich sieht man wieder etwas. Es sieht aus wie bei uns zu Hause in den Alpen. Wieder zieht sich die Abfahrt ewig, und wieder fahren wir gefühlt durch alle Vegetationszonen. Im Tal angekommen, hat sich die Temperatur gedreht, es ist heiß, und wir reißen uns die Klamotten vom Leib. Wir werden von anderen Touristen aus ihren Geländewagen gefilmt, als wären wir die Sensation, für die sie nach Kirgistan gekommen sind. Kein Versuch ihrerseits, eine Konversation aufzubauen, nur Kameras, die auf uns gerichtet werden. Seltsam, aber es regt mich trotzdem zum Nachdenken an. Ich nehme mir vor, in Zukunft ausnahmslos jede Person, die ich fotografieren möchte, um Erlaubnis zu fragen und überhaupt immer ein Gespräch zu suchen. In Jangy-Talap kaufen wir Snacks und eine riesige Melone. Wir schaffen maximal die Hälfte davon und schenken den Rest einer vorbeikommenden Familie. Weiter geht es kurz auf Asphalt in Richtung Baetov, der nächsten größeren Stadt, diesmal durch wüstenähnliche Landschaft. In Baetov angekommen, möchte ich Geld wechseln, da man in den kleinen Ortschaften nur bar zahlen kann. In Bischkek am Anfang der Reise haben wir erstmal nur einen kleinen Betrag getauscht, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel wir überhaupt brauchen. Leider verpassen wir die Banköffnungszeiten ganz knapp. Auch Zureden und mein Angebot, eine größere Menge Euros zu tauschen, stimmen die Bankangestellten nicht um. Wir überlegen und rechnen mehrmals durch, ob unser Bargeld bis zur nächsten Wechselmöglichkeit ausreicht. Die nächsten drei bis vier Tage wird es garantiert keine Gelegenheit geben, Geld zu tauschen, aber ebenso wenig viele Möglichkeiten, Geld auszugeben. Also entscheiden wir uns, nicht bis zum nächsten Tag zu warten, sondern geben fast alles was wir haben für Essen aus. Wir besuchen verschiedene Märkte, bis alles haben für die nächsten paar Tage ohne Verpflegungsmöglichkeiten. Wiebke organisiert sich auch einen neuen Löffel, da sie ihren aus Titan verloren hat. Dafür geht sie in ein Lokal und erklärt der Besitzerin mit Händen und Füßen, dass sie kein Brot braucht, sondern einen Löffel. Mit neuem Löffel im Gepäck machen wir uns danach auf den Weg und verlassen die Stadt in der Abenddämmerung in Richtung Süden, zur chinesischen Grenze. Doch bevor wir diese erreichen, müssen wir noch über zwei Pässe. Auch an diesem Abend entgehen wir mal wieder nur knapp einem heftigen Gewitter; so langsam entwickeln wir ein Gespür und vor allem eine Aufmerksamkeit für die täglichen Gewitter am Nachmittag. Wir bauen unser Zelt neben einer Bauernhofruine auf und bleiben zum Glück trocken. Es gibt Pasta mit Tomatensoße.








Mittwoch 7.8. – Mels Pass und Kulak Pass –
Wiebke hat heute einen schweren Start. Ich muss viel Rücksicht nehmen und warte immer wieder auf sie auf dem Weg nach oben. Genau, wir fahren mal wieder einen Pass hinauf. Dafür sind die Aussichten in alle Richtungen großartig: in eine Richtung schneebedeckte Berge, in die andere Richtung Wüste. Wir erreichen Mels Pass zur Mittagszeit, wo wir von drei Kirgisen zum Melonen- und Dosenfischessen eingeladen werden. Dazu gibt es frisch gebackenes Fladenbrot und Cola. Wir unterhalten uns mit der Übersetzungs-App über Kirgistan, Deutschland und deutsche Autos. Es sind drei Brüder, das Brot ist vom ältesten gebacken. Sie lieben Mercedes Sprinter, und er fragt, ob ich ihm einen Sprinter organisieren kann. Ich erkläre ihm, dass die Sprinter-Modelle, die sie in Kirgistan fahren, schon lange von viel neueren Modellen abgelöst wurden und die neuen bei weitem nicht mehr so haltbar und praktisch wie die alten sind. Gute alte Sprinter sind in Deutschland so teuer wie neue; darüber hat er gestaunt und sich gefreut, dass er einen alten guten Sprinter fährt. Wir fahren ein kleines Stück bergab. An einem Fluss wäscht sich Wiebke die Haare, darauf hat sie sich schon eine Weile gefreut. Wir nutzen den gleichen Fluss auch zum Auffüllen unserer Wasserflaschen. Danach fahren wir weiter über den Kulak Pass und entkommen mal wieder knapp dem nachmittäglichen Gewitter. Am Nachmittag gelangen wir auf den Chinese Highway, eine Art Bundesstraße, auf der quasi nur Lkw zwischen China und Kirgistan verkehren. Die Lkw überholen uns zum Glück mit sehr viel Abstand. Wiebke ist mittlerweile sehr erschöpft, aber wir müssen noch ein Stück. Ich schiebe sie immer wieder, mit einer Hand auf ihrem Rücken, mit der anderen am Lenker, und drücke auf die Pedale, was geht. Wir haben uns für diesen Abschnitt entschieden, was bedeutet, dass wir eine gewisse Strecke zurücklegen müssen, sonst geht uns lange vor Ankunft im nächsten Ort das Essen aus. Wiebke hat also leider keine Wahl und muss durchziehen. Irgendwann erreichen wir einen Militärcheckpoint; hier darf man nur mit einem Permit weiterfahren, da es von hier auf Asphalt nur noch nach China geht und sonst nirgendwohin. Gleichzeitig ist der Grenzübergang aber nur für den Warenverkehr geöffnet. Wir haben uns schon vorher um das Permit gekümmert. Kurz vor der Grenze kann man von der Asphaltstraße abbiegen und auf Schotter über eine gewaltige Hochebene zurück in die Zivilisation fahren, entlang der chinesischen Grenze. Und genau das haben wir vor. Am Checkpoint fragen wir nach Wasser, und der Polizist „beschlagnahmt“ prompt mehrere 500-ml-Wasserflaschen von chinesischen Lastwagenfahrern und streckt sie uns entgegen. Außerdem finden wir noch einen Container, wo eine alte Frau Cola und Brot verkauft. Es gibt wirklich genau nur Cola und Brot; wir nehmen beides, essen ein Stück des Brotes, und weiter geht die Fahrt in Richtung chinesische Grenze. Wir pedalieren noch ein paar Kilometer in den Sonnenuntergang und finden einen Schlafplatz 100 Meter neben der Straße auf 3000 m mit Blick auf schneebedeckte Berge.























Donnerstag 8.8. – Chinese Highway –
Nach einer kalten Nacht, wir haben nur dünne Schlafsäcke dabei und müssen dementsprechend alles anziehen was wir sonst dabei haben, geht es weiter auf dem Chinese Highway in Richtung Grenze. Dazwischen gibt es einen Abschnitt, der über 10 km einfach nur geradeaus geht; dieser Abschnitt scheint nie zu enden. Rechts neben der Straße werden Bohrungen durchgeführt. Angekommen an der chinesischen Grenze hoffen wir noch auf Wasser oder einen kleinen Imbiss. Die Tankstelle, die auf Google Maps eingezeichnet ist, scheint schon länger nicht mehr in Betrieb zu sein. Wir halten wieder Lkw-Fahrer an, fragen nach Wasser und erhalten mehrere Flaschen – ein wohltuendes Backup. Obwohl wir einen Wasserfilter dabei haben, wollen wir wirklich nur im Notfall darauf zurückgreifen und so viel wie möglich Wasser aus verlässlichen Quellen beziehen. An der Grenze wechseln wir wieder ins einsame Territorium. Auf uns warten rund 100 km absolute Einsamkeit auf einer Hochebene über 3000 m. Wir treffen über viele Kilometer niemanden, sogar Tiere sind rar. Irgendwann stoßen wir auf Yaks! Sie sehen mit ihrem zotteligen Fell furchteinflößend aus, stellen sich aber als sehr scheu heraus. Zum Mittag gibt es Nudelsuppe. Wir durchqueren trockene Flussbetten und radeln den ganzen Tag mit leichtem Gegenwind, dafür immer etwas bergab. Plötzlich tut sich ein wunderschöner, breiter, flacher Fluss auf. Wir baden, waschen und filtern Wasser; das Wasser ist herrlich und so klar, wie es nur geht – für uns eine Definition von verlässlicher Wasserquelle. Wir schieben die Räder durch den Haupt- und mehrere Seitenarme des Flusses. Nach einem Tag in Einsamkeit tauchen wieder sehr vereinzelt Höfe auf, und wir beobachten zwei Kirgisen, wie sie parallel zu uns auf ihren Pferden in die gleiche Richtung reiten. Am Abend müssen wir eine Entscheidung treffen: Fahren wir die extra Runde zum Kol’Su oder nicht? Der See ist quasi einer der Sehenswürdigkeiten in Kirgistan. Dementsprechend würden uns eine Vielzahl von Geländewagen mit Pauschaltouristen erwarten, sowie ein extra Tag Fahrzeit ohne wirkliche Möglichkeit, Verpflegung aufzuladen; unser Essen ist leider fast komplett aufgebraucht. Es gibt ein Jurten-Camp, aber wir haben weder Bargeld noch Lust, uns das zu gönnen nach der Erfahrung im letzten Jurt Camp. Außerdem ist nur noch ein Tag gutes Wetter gemeldet. Wir entscheiden uns gegen den See und gegen am darauf folgenden Regentag im Lehmmatsch die 120 km nach Naryn zu fahren. Wir werden direkt dorthin fahren und den angekündigten Schlechtwettertag als Ruhetag nutzen. Als Tagesabschluss klettern wir auf einen der vielen Wachtürme zwischen der kirgisisch-chinesischen Grenze und genießen die Aussicht. Wir überlegen kurz, oben auf dem Turm zu schlafen, aber er stellt sich als komplett von Vögeln vollgeschissen heraus. Wir bauen das Zelt mit Abstand am Fuße des Turms auf und schlafen hervorragend.

















Freitag 9.8.
Unsere Entscheidung war gut. Das Wetter beginnt schon zu kippen, und in den hohen Bergen schaut es ungemütlich aus. Auf der Straße Richtung Naryn treffen wir nun immer wieder auf Geländewagen und Motorräder. Fensterscheiben werden heruntergekurbelt, und wir werden mal wieder ungefragt zur Attraktion und zum Fotomotiv. Wir müssen erneut durch einen Checkpoint, um die Grenzregion zu verlassen. Da wir nicht den gleichen Weg gekommen sind, findet der Beamte keine Notizen von uns. Normalerweise fahren Touristen denselben Weg zum Kol’Su und wieder zurück; am Checkpoint wird quasi ein- und ausgestempelt. Es braucht etwas Überredungskunst und Hände und Füße, um den Beamten davon zu überzeugen, wo wir hergekommen sind. Dann versteht er und lässt uns passieren. Der Checkpoint befindet sich auf Passhöhe, und von hier geht es mal wieder lange und weit bergab. Bis dahin haben wir feinen Rückenwind, der später zu Gegenwind wechselt. Auf den ersten Metern der Abfahrt reißt eine Schelle von Wiebkes Gabeltaschen. Ich, vorweg fahrend, merke es erst ziemlich spät, warte kurz, ahne, dass etwas Blödes passiert ist, und mache mich wieder auf den Weg zurück nach oben. Wir reparieren es provisorisch, und weiter geht die steile Abfahrt. Später müssen wir die wohl schlimmste Straße der Welt fahren. Nein, nicht wegen des Verkehrs, sondern wegen des Zustands der Straße; es sind die fürchterlichsten Bremswellen, die man sich nur vorstellen kann. Nach einer Weile entdecken wir zahlreiche Parallelspuren auf den Feldern neben der Straße. Die Kirgisen müssen selbst genervt von den Bremswellen einfach eine weitere Spur eingefahren haben, und dann noch eine, und dann noch eine, und so weiter. Wir kämpfen uns hungrig auf den besten Spuren zum nächsten Dorf: Ak-Muz, wo wir endlich einen Laden finden. Auf den großen Hunger gibt es erstmal frisches Fladenbrot mit Schokoriegel. Ich erinnere mich an eine Szene, die ich nie vergessen werde. Ein Kirgise kommt im Galopp auf seinem Pferd angeritten, bindet es vorm Laden an einen Mast, macht seine Besorgungen und reitet wieder davon. Ich habe das Gefühl, dass verschiedene Jahrhunderte aufeinander treffen. Wir sehen wohl so hungrig aus, dass uns ein Mann, der vorbeikommt, in eine Jurte in seinem Garten einlädt. Hier feiern schick traditionell gekleidete Frauen die Hochzeit einer Tochter am Vortag. Bedient werden sie von dem Mann, der uns eingeladen hat. Eine der Frauen spricht ganz gut Englisch. Sie ist die Lehrerin im Dorf. Eine andere ist die Ärztin. Wiebke soll einen Toast sprechen und ein Lied singen, nachdem eine der Frauen dasselbe tat. Es ist eine sehr eindrucksvolle Erfahrung. Wir werden mit Essen und Trinken überschüttet. Es gibt vergorene Stutenmilch, aber auch leckere Salate, Brote, Obst, Süßigkeiten und Tee. Die Lehrerin erklärt uns, dass ihre Familie auf einer großen Menge Schafswolle sitzt und Abnehmer sucht. Sie fragt uns, ob wir die Wolle für sie in Europa verkaufen können. Wir sind verlegen, können ihr aber leider nicht helfen. Wiebke schreibt später aus Bishkek eine Postkarte an die Schule der Lehrerin. Hoffentlich ist sie angekommen. Mit übervollen Mägen fahren wir weiter nach Naryn. Am Schluss sogar eine asphaltierte Bergstraße! Mit Gaudi und Freude darüber, die Bremswellen hinter uns gelassen zu haben, sausen wir die Passstraße hinunter in die seit Bishkek größte Stadt unserer Reise. Ein Genuss. In Naryn buchen wir uns zwei Nächte in einem Zimmer ein, morgen ist Ruhetag angesagt.










Samstag 10.8. – Naryn –
Heute wird ausgeschlafen und entspannt. Am späten Vormittag gehen wir in ein Café essen. Dort treffen wir auf zwei deutsche Frauen und einen Engländer mit Fahrrädern. Wir verbringen schlussendlich mehrere Stunden und mehrere Mahlzeiten dort gemeinsam und tauschen uns aus. Es ist eine schöne Abwechslung, ein paar Stunden in europäischer Gesellschaft zu verbringen. Später besuchen wir noch den Bazar. Wir testen Kurut (salzige, getrocknete Quarkkugeln) und versorgen uns für die kommenden Tage. Außerdem machen wir einen groben Plan, wie wir weiterfahren werden. Das Wetter für die nächsten Tage ist leider ziemlich unbeständig. Wiebke freut sich sehr über den Ruhetag, ich muss zugeben, dass ich immer etwas Überwindung brauche, um eine Pause zu genießen. Ich würde am liebsten immer weiterfahren, freue mich aber schlussendlich trotzdem sehr über den Tag, die Begegnungen und unseren Besuch auf dem Basar.
Sonntag 11.8.
Nach einem Frühstück in der Unterkunft geht es weiter. Wiebke hatte leider keinen Appetit, also halten wir extra nochmal am Supermarkt und holen Salzbrezeln, damit sie wenigstens etwas isst. Ich spüre schon an den ersten Kilometern, dass es ihr heute nicht gut geht. Wir schaffen es 35 km aus Naryn heraus in Richtung Osten, bis Wiebke vom Rad kippt und sich mehrmals komplett entleert. Es schaltet in ihr um, und auf einen Schlag wird ihr alle restliche Energie aus dem Körper geraubt. Ich baue schnell das Zelt auf, damit sie kurz im Schatten liegen kann, während ich überlege, wie wir uns aus der Situation so kräfteschonend wie möglich retten können. Wir wissen von einer Unterkunft in dem Dorf Tash-Bashat, ein paar Kilometer vor uns. Alternativ könnten wir 35 km zurück nach Naryn fahren. In Wiebkes Zustand entscheiden wir uns für die kürzere Strecke nach Tash-Bashat. Ich schiebe Wiebke so viel es geht, wir rasten erneut im Schatten eines Baumes und schaffen es schließlich zu einem sehr gemütlichen Gästehaus in einem, wie auch sonst üblichen, sehr heruntergekommenen Dorf. Eine Oase am genau richtigen Ort – außerdem der letzte Ort, bevor es für über 100 km bis zum Yssyköl nichts mehr gibt. Was für ein Glück für Wiebke. Sie verbringt den restlichen Tag im Bett. Ich führe ein langes und wichtiges Arbeitstelefonat und besuche den Tante-Emma-Laden im Dorf. Abends gibt’s für mich leckeres Essen, gekocht von den Betreibern des Gästehauses. Wiebke bleibt lethargisch im Bett liegen, ohne Appetit.
Montag 12.8.
Wiebke ist immer noch fertig und hat Kopfschmerzen. Ich entscheide, ohne Gepäck nach Naryn zurückzuradeln, um Medikamente und Elektrolyte für Wiebke zu holen. Außerdem brauchen wir mal wieder Bargeld, um die Nächte im Gästehaus zu bezahlen. Wir hatten definitiv nicht damit gerechnet und haben dementsprechend viel zu wenig dabei. In Naryn halte ich an zwei Apotheken, bis ich das Richtige gefunden habe. Außerdem suche ich eine Bank auf; ich muss in einer langen Schlange warten und dabei mein Rad ca. 30 Minuten unabgeschlossen vor der Bank zurücklassen. Beim Reisen zu zweit haben wir uns abgewöhnt, ein Schloss dabei zu haben. Der Deutsche in mir hat natürlich Angst um sein Rad. Gelassenheit kehrt erst zurück, als ich mit dem Bargeld in der Hand mein Rad wieder an mich nehme, vor der Bank. Wiebke verbringt den Tag im Bett, schafft es aber trotzdem, auch zum Laden zu laufen und Getränke zu holen. Die frische Luft tut gut, aber an eine Weiterfahrt ist noch nicht zu denken. Sobald ich zurück im Gästehaus bin, wird Wiebke einer Radikalkur mit Elektrolyten unterzogen. Wir hoffen natürlich, morgen weiterzukommen, machen uns aber noch keine großen Hoffnungen. Abends gibt’s wieder leckeres Hausgemachtes zu essen für mich. Für Wiebke gibt es auch extra leichte Kost: Kartoffeln mit Salz. Wir treffen zwei weitere Deutsche, die im geliehenen Lada Niva durch Kirgistan reisen. Sie erzählen uns von einem massiven Unwetter in der vergangenen Nacht und dass sie wegen eines Hangrutsches einen gewaltigen Umweg fahren mussten, um zum Gästehaus zu gelangen. Ich bin jedenfalls nicht traurig, dass wir die letzte Nacht gezwungenermaßen unter einem Dach verbracht haben und nicht im Zelt.
Dienstag 13.8. – Burkhan Valley –
Wir gehen zum Frühstück in den dafür vorgesehenen Raum im Gästehaus und finden unseren Tisch mit drei Tellern vorbereitet. Wir freuen uns schon auf den unbekannten Gast. Es ist der Eigentümer des Hotels. Die folgende Unterhaltung ist sehr spannend. Seine Frau ist Ärztin in Deutschland. Den Winter verbringt er bei ihr. Das Hotel läuft nun im zweiten Sommer. Er hat hier viel Persönliches eingebracht und selbst gebaut. Man spürt auch den westlichen Touch. Er erzählt uns, dass er in der Vergangenheit politisch aktiv war und bis heute versucht, das kirgisische Zeitgeschehen zu beeinflussen. Sein Hauptthema ist die Bekämpfung der Korruption, für seinen Einsatz musste er sogar schon mehrere Jahre im Exil leben. Mit dem Gästehaus versucht er, seinem Heimatort neues und modernes Leben einzuhauchen. Als wir uns aufs Fahrrad schwingen, merkt Wiebke, dass sie wieder ganz die Alte ist, uns sollte also eine Weiterfahrt nichts im Weg stehen. Russische Elektrolyte wirken noch ;). Noch im Dorf begegnen wir zwei Russen auf Rädern. Ich freue mich auf einen Austausch über die aktuelle Weltpolitik, da ich es liebe, in andere Perspektiven einzutauchen, leider scheitert es an der Sprache. Sie sprechen nur rudimentäres Englisch und wir leider immer noch kein Russisch. Wir fahren unser Tempo weiter und sie versuchen offensichtlich krampfhaft, an unseren Hinterrädern zu bleiben, schaffen es aber nicht. Der folgende Canyon ist sehr schön. Den ganzen Tag geht es auf und ab (wir machen fast identische Höhen- wie Tiefenmeter). Irgendwann fahren wir aus dem Canyon heraus auf eine Hochebene. Das Licht ist fantastisch… Gegen Abend kommen wir an die Kreuzung, wo wir uns zwischen dem Tossor Pass und dem Barskoon Pass entscheiden müssen. Wir entscheiden uns für den Tossor Pass, in diese Richtung sieht es irgendwie netter aus. Außerdem haben wir langsam genug von der Hochebene und wollen wieder auf eine Passstraße. Zum Barskoon Pass sind es aber nochmal eine halbe Tagesdistanz über eine Hochebene. Vor ein paar Tagen gab es ein gröberes Unwetter, das gleiche, von dem uns die Lada-Reisenden im Gästehaus erzählt haben. Ein Teil des Seitenarms vom Fluss, der aus den Bergen ins Tal strömt, hat ein Feld der Verwüstung angerichtet und die Straße zerstört. Dort angekommen schlagen wir unser Zelt auf. Auf den ersten Blick sind wir nicht sicher, ob wir den Fluss sicher überqueren können und fragen uns, ob wir uns für den richtigen Pass entschieden haben. Wir verschieben die Entscheidung, ob und in welche Richtung wir weiterfahren, auf morgen und genießen den Abend. Außerdem bekommen wir noch eine Show geboten.
Es nähert sich ein Geländewagen von der anderen Seite des zerstörten Straßenabschnitts. Wir können es kaum fassen, er schafft seinen Weg durch wildes Wasser und Steine. Es sind Kanadier in einem geliehenen Landcruiser und sie wissen definitiv, was sie tun. Sehr kalkuliert und mit der richtigen Technik schaffen sie es ans andere „Ufer“. Für uns eine spannende Show. Die Kanadier bestätigen uns auch, dass diese Stelle die wildeste ist und wir nach der Überquerung kein Problem haben sollten, über den Tossor Pass zum Yssyköl zu radeln. Später kommt noch ein Südtiroler Pärchen, die beiden haben auch einen Landcruiser, einen Offroad-getunten, allerdings mit besseren Reifen, Höherlegung und extra Lichtern. Auch sie beobachten wir und freuen uns mit ihnen, als sie das Hindernis sicher überwunden haben. Claus ist mit seinem Auto schon seit vielen Monaten unterwegs im Nahen und Fernen Osten. Seine Partnerin begleitet ihn ein paar Wochen zwischendurch. Ich verfolge ihn bis heute auf Instagram und freue mich immer wieder über tolle Bilder und Videos von seiner Reise. Sehr gute Begegnungen auch für uns – nun wissen wir, dass die Straße über den Pass für uns gut passierbar ist.















Mittwoch 14.08. – Torrso Pass –
Nach dem Frühstück gibt es heute also erstmal nasse Füße. In der Früh fließt deutlich weniger Wasser, und wir kommen gut durch den Fluss. Danach geht es gemächlich hinauf zum Torrso-Pass auf 3900 m. Es ist wieder unglaublich schön und einsam. Wir treffen nur wenige Menschen – heute dafür sogar mal ein paar Radreisende, darunter ein britisches Pärchen auf einem Tandem. Sie sind in Almaty gestartet und wollen den gesamten Indischen Subkontinent hinunterfahren. Nach ein paar Schiebepassagen mit überwältigender Aussicht erreichen wir den Pass und kochen uns endlich eine schöne Portion Instant-Nudeln, um dann gestärkt die Abfahrt über 2000 Höhenmeter in Angriff zu nehmen. Unzählige Kehren rollen wir hinunter – es ist wunderschön, und wir durchqueren mal wieder mehrere verschiedene Vegetationszonen. Unten angekommen suchen wir einen Supermarkt und gönnen uns Müsli mit Milch und viel Schokolade! Dafür müssen wir ein paar Kilometer auf der Hauptstraße entlang des Yssykköl fahren, wo zum ersten Mal auf unserer Reise nennenswerter Auto- und Lkw-Verkehr herrscht. Die kirgisischen Autofahrer sind nicht gerade fahrradfreundlich – das muss man einfach so sagen. Wir überlegen nicht lange und entscheiden uns, den Abschnitt nach Karakol per Mitfahrgelegenheit zu überbrücken. Ehrlich gesagt wollen wir uns die bisher einsamen 1.000 zurückgelegten Kilometer nicht mit einer 100 km langen Fahrt auf der Hauptstraße kaputtmachen. Wiebke organisiert einen Stift und beginnt, „Karakol“ auf einen Pappkarton zu schreiben. Doch bevor sie fertig ist, kommen schon ein paar Jungs auf uns zu, die gerade den Laden mit Getränken beliefern, und bieten uns eine Mitfahrgelegenheit an. Wir legen die Räder in den geräumigen Laderaum des uralten Mercedes Düdo und nehmen in der Fahrerkabine Platz. Mit uns reisen drei Lieferanten – insgesamt sind wir also fünf Personen. Es gibt allerdings nur drei Sitzplätze, aber das wird schon irgendwie passen. Schlussendlich klettert Wiebke in die provisorische Schlafkabine über dem Cockpit, und wir Männer sitzen zu viert nebeneinander auf der Dreier-Sitzbank. Unterwegs halten wir noch an zwei weiteren Märkten und helfen, die Getränke ins Geschäft zu tragen. Danach geht es zwei Stunden lang weiter über eine schlechte Straße nach Karakol. Wir versuchen, uns über eine Übersetzungs-App zu unterhalten – eine köstliche Erfahrung. Ich sitze neben dem Fahrer und beobachte, wie er immer im höchsten Gang Vollgas gibt, bis wir 120 km/h erreichen. Nach einer Weile springt der Gang heraus, und der Fahrer lässt den Transporter ausrollen, bis wir auf 60 km/h abgebremst sind. Dann „würgt“ er den Gang wieder hinein und gibt erneut Vollgas – bis der Gang wieder herausspringt. So geht es die ganze Fahrt über die Überlandstraße hinweg. Während der Fahrt buchen wir uns ein Zimmer in Karakol und werden sogar direkt bis vor die Tür der Unterkunft gefahren. Der Transporter wird mit zwei abisolierten Kabeln ausgemacht, die links aus dem Armaturenbrett ragen und dafür kurz aneinandergehalten werden. Leider gibt es einen Buchungsfehler, und wir müssen uns noch eine andere Unterkunft suchen. Doch kurze Zeit später stehen wir unter einer Dusche und liegen im Bett. Karakol ist eine der größeren Städte in Kirgistan und bietet dementsprechend viele kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten.











Donnerstag 15.08 – Karakol –
Heute frühstücken wir in einem sehr schicken und schönen Restaurant. Ehrlich gesagt haben wir noch keinen genauen Plan, wie wir weiterfahren wollen – beziehungsweise haben wir zu viele Pläne und können uns nicht so recht entscheiden. Ein entspannter Vormittag, um alle Möglichkeiten zu evaluieren, wird uns hoffentlich zu einem Ziel führen. Schließlich entscheiden wir uns, noch heute über eine weitere große Überlandstraße weiter Richtung Osten zu fahren, um dort eine einsame Runde nach Enilchek zu drehen. Der Wetterbericht ist nicht perfekt, daher halten wir uns die Möglichkeit offen, nur auf den ersten Pass hinaufzufahren und gegebenenfalls wieder umzudrehen. Wir nutzen die reichhaltigen Supermärkte der Stadt, laden Verpflegung auf und starten in Richtung Osten. Nach wenigen Kilometern wird uns bewusst, dass der Verkehr auf der Straße erneut extrem gefährlich ist und absolut keinen Spaß macht. Wir fackeln nicht lange und kehren wieder in die Stadt zurück. Auf dem Weg schmieden wir einen neuen Plan. Ich muss dazu noch erwähnen, dass wir nie vorhatten, die gesamte Reise als große Rundtour zu fahren und zurück nach Bischkek zu radeln. Stattdessen war von Anfang an der Plan, irgendwo am Yssykköl in einen Bus zu steigen, um damit wieder zum Ausgangspunkt unserer Reise zu gelangen. In einem Geistesblitz überlegen wir nun, weiter entlang des Sees zu trampen und am nördlichen Ufer wieder in die Berge abzubiegen, um anschließend zurück nach Bischkek zu radeln. Am Nordrand von Karakol angekommen, versuchen wir erneut unser Glück. Nach nur 15 Minuten haben wir eine Mitfahrgelegenheit für uns und unsere Räder gefunden: ein Sprinter-Pritschenwagen mit Doppelkabine – ein Fahrzeugtyp, der in Kirgistan zu Tausenden unterwegs ist, oft aus Jahrgängen und in fragwürdigen Zustand, die bei uns schon lange keinen TÜV mehr bekommen würden. Der Fahrer rast wie ein Wahnsinniger. Wir werden zweimal von der Polizei angehalten. Lachend erklärt er uns, dass sie bei Pkws die Versicherung kontrollieren, er aber einen Lkw fährt – und Lkws bräuchten in Kirgistan keine Versicherung. Selbstverständlich hat er auch keine. Die Straße ist extrem holprig, und er fordert dem alten Auto einiges ab! Wir wundern uns, dass wir kein Rad verlieren oder einen Platten haben. Irgendwann wird die Straße besser – dabei dröhnt lautstark russischer Techno aus den Lautsprechern. Wieder einmal ein köstliches Erlebnis. Wir werden bis zur Mitte des Nordufers des Yssykköl mitgenommen. Dort beginnt der Kok-Ayrzk Pass in Richtung Norden, den wir am nächsten Tag fahren möchten. Wir suchen uns schnell eine eher mittelmäßige, aber immerhin interessante Unterkunft und radeln anschließend an den See. Endlich schwimmen! Darauf freut sich Wiebke schon den ganzen Urlaub. Der Tag klingt langsam aus … später kochen wir in der Unterkunft.
Freitag 16.08 – Kok-Ayrik Pass –
Nach einem Müslifrühstück besorgen wir uns noch Verpflegung für zwei Tage in den Bergen in einem kleinen Shop am Straßenrand – und los geht’s. Ein wenig später, immer noch an der Hauptstraße, entdecken wir einen Stand, an dem frisches Fladenbrot verkauft wird. Es wird direkt vor Ort und unter freiem Himmel gebacken – der Duft ist köstlich. Wir nehmen zwei. Dann beginnt der Anstieg. Heute erwarten uns 2200 Höhenmeter am Stück bergauf. Die Straße ist anfangs noch recht gut, wird jedoch umso kaputter, je weiter wir nach oben fahren. Schon bald müssen wir unsere Räder über die ersten verschütteten Abschnitte tragen. Lustig – auf Google Maps ist hier mal wieder eine normale Passstraße eingezeichnet. Mit einem Fahrzeug auf vier Rädern wäre an ein Weiterkommen jedoch nicht zu denken. Wiebke hat heute mehrere kleine Wutanfälle – langsam lässt die Kraft nach, sich jeden Tag aufs Neue einen riesigen Pass hinaufzuquälen. Mir hingegen macht es großen Spaß, und ich fühle mich genau am richtigen Ort. Ich versuche, Wiebke so viel positive Energie wie möglich zu senden. Die Abschnitte, in denen wir die Räder über große Steine wuchten müssen, sind die kräftezehrendsten. Je höher wir kommen, desto ungemütlicher wird das Wetter: Wolken ziehen auf, es wird kalt und windig, und immer wieder setzt Regen ein. Doch wir lassen uns davon nicht die Stimmung verderben – die Aussicht ist einmalig. Wieder schafft es Kirgistan, uns aufs Neue zu beeindrucken: mit wilden Gletschern, beeindruckenden Felsformationen und endlosen Geröllfeldern. Irgendwann erreichen wir den Kok-Ayrik Pass. Ein großes Tor markiert die Passhöhe. Hinter uns liegt der Yssykköl, vor uns erstreckt sich der Chon-Kemin-Nationalpark. Nun tröpfelt es sanft vor sich hin. Schnell ziehen wir unsere Regenhosen an, freuen uns kurz über den erreichten Gipfel und starten dann die Abfahrt. Doch lange fahren ist nicht möglich – auch hier müssen wir immer wieder schieben. Die Aussicht ist natürlich weiterhin, wenn nicht sogar noch mehr, fantastisch, aber die Abfahrt zieht sich. Aus der geplanten einen Stunde werden zweieinhalb. Immer wieder steigen wir vom Rad, schieben es oder heben es über Geröllhaufen. Als wir endlich im Tal ankommen, hat sich das Wetter weiter verschlechtert. Es regnet mittlerweile durchgehend, der Himmel ist wolkenverhangen, und es ist kalt. Wieder müssen wir einen Fluss durchqueren. Auf den ersten Blick wirkt er gar nicht so wild, doch beinahe kostet er mich mein Rad. Ich wate ohne Rad zurück und helfe Wiebke. Gemeinsam halten wir ihr Rad fest und verhindern, dass es von der Strömung mitgerissen wird. Damit hatte ich an dieser Stelle wirklich nicht gerechnet. Trotzdem beschließen wir, noch ein paar Kilometer weiterzufahren. Wir sind ohnehin nass, und jeder Kilometer, den wir heute zurücklegen, erspart uns morgen zusätzliche Anstrengung – schließlich sind es noch mindestens 60 Kilometer bis zum nächsten Dorf. Im Regen fahren wir das Tal hinaus in Richtung Westen. Es geht leicht bergab, doch heute bläst uns ein starker Gegenwind entgegen. Nach einem kurzen Zwischenanstieg und kurz bevor es dunkel wird, finden wir einen schönen Schlafplatz auf einer Lichtung mit Blick auf einen beeindruckenden Berg. Am Abend lockert die Bewölkung etwas auf und erlaubt uns wunderbare Ausblicke in alle Richtungen. Während unserer Abendroutine – Zelt aufbauen, Katzenwäsche, Schlafsack und Isomatten vorbereiten, Essen kochen – taucht plötzlich ein junges Mädchen auf einem Pferd auf. Sie beobachtet uns aus sicherer Entfernung, pflückt Kräuter und scheint sich sehr für uns zu interessieren. Erst kurz bevor es dunkel wird, schwingt sie sich auf ihr Pferd und reitet davon – eine Begegnung, die wir beide nicht vergessen werden. Wie so oft gibt es von den schönsten und intensivsten Momenten keine Fotos. Ich habe eine große Hemmung, solche Situationen durch das Zücken der Kamera zu unterbrechen. Vielmehr genieße ich sie und versuche, die Bilder in meinem Kopf abzuspeichern. In der Nacht gewittert es immer wieder in den Bergen um uns herum. Wir liegen lange wach und versuchen herauszufinden, ob die Gewitter näherkommen oder sich entfernen. Beim Radreisen habe ich schon einige unheimliche Momente während Gewittern erlebt, und ich muss zugeben, dass wir beide großen Respekt vor Blitzeinschlägen haben. Doch wir haben Glück – die Gewitter bleiben weit genug entfernt. Der Regen begleitet uns dennoch die ganze Nacht.















Samstag 17.08 – Chon-Kemin –
Es regnet nach wie vor. Wir krabbeln aus dem Zelt ins Nasse, trinken schnell einen Instantkaffee und essen dazu einen Keks. Widerwillig packen wir alles zusammen – mittlerweile ist alles nass. Wir machen uns nicht mehr die größte Mühe, irgendetwas trocken zu halten, sondern vertrauen darauf, dass wir im Laufe des Tages bei hoffentlich besserem Wetter unsere Ausrüstung trocknen können. Wir setzen unsere Fahrt das Tal hinaus fort, heute mit Rückenwind, aber tief hängenden Wolken, wenig Aussicht, Regen und kalten Temperaturen. Gegen Mittag erreichen wir das Dorf Kaindy, wo wir eine Stunde in einer Bushaltestelle verbringen, um den Starkregen vorbeiziehen zu lassen. Nicht weit entfernt finden wir ein Guesthouse und entscheiden uns, den restlichen Tag dort zu verbringen – die Wetteraussichten für den Nachmittag sind nicht besser, und auch morgen soll es den ganzen Tag regnen. Als wir ankommen, werden wir von einer sehr netten Familie empfangen. Die Frau betreibt das Guesthouse, der Mann hat alles selbst gebaut. Es gibt eine große überdachte Terrasse und einen Garten. Die Zimmer sind gemütlich – hier können wir entspannt zwei Nächte verbringen und das schlechte Wetter vorbeiziehen lassen, bevor wir zurück nach Bischkek radeln. Wir breiten all unsere Sachen zum Trocknen aus, kaufen im Dorfladen ein Bier und genießen es auf der Terrasse. Beim Abendessen treffen wir auf eine weitere Gruppe deutscher Reisender – drei ältere Frauen mit einem privaten kirgisischen Guide, der ausgezeichnet Deutsch spricht. Wir lauschen gespannt dem Gespräch und schnappen einige interessante Informationen über das Land auf. Das hausgemachte Essen, ein Drei-Gänge-Menü, schmeckt hervorragend. In einem richtigen Bett zu schlafen und ein Dach über dem Kopf zu haben, fühlt sich großartig an – draußen regnet und stürmt es die ganze Nacht.





Sonntag 18.08
Heute passiert nicht viel. Wir schlafen aus, machen eine kurze Wanderung zu einer „Alm“ außerhalb des Ortes und genießen den Ruhetag. Ich überlege, wie wir die folgenden zwei Tage zurück nach Bischkek fahren. Unsere Reise neigt sich langsam dem Ende. Abends gibt es wieder spitzenmäßiges Essen.
Montag 19.08
Bei herrlichem Wetter und gestärkt von einem reichhaltigen Frühstück starten wir in Richtung Bischkek. Wir nehmen nicht den direkten Weg, sondern fahren über kleine Dörfer auf einsamen Straßen. Außerdem wollen wir noch vor den Toren der Stadt die letzte Nacht im Zelt genießen. Landschaftlich gibt es keine großen Highlights mehr, aber es ist schön, noch einmal einen Tag durch eine etwas dichter besiedelte Region Kirgistans zu fahren. So viele Menschen wie heute haben wir auf der gesamten Reise zuvor vermutlich nicht getroffen. In jedem Dorf, in dem wir anhalten – sei es für ein Eis, eine Rast im Schatten, das Mittagessen oder eine Melone –, kommen Männer auf mich zu und wollen meine Hand schütteln. Für Wiebke interessiert sich heute leider niemand, dabei hat sie in den letzten Wochen eine viel größere Leistung vollbracht als ich. So ist es leider in Muslimischen Ländern, das haben wir so auch schon auf anderen Reisen erlebt. Am Ende des Tages fahren wir wieder durch das Dorf Kegeti, genau wie am ersten Tag unserer Reise. Ab hier treffen wir mehrere Gruppen von Radfahrern, alle auf dem Weg zum Kegeti-Pass. Wir freuen uns, dass auch andere bald erleben dürfen, was wir erleben durften. Kurz vor der Stadt finden wir auf einer Anhöhe einen wunderbaren letzten Campspot und genießen unseren letzten Sonnenuntergang. Am Horizont ist bereits die „Skyline“ von Bischkek zu sehen.







Dienstag 20.08 – Donnerstag 22.08 – Bischkek –
Wir müssen nur noch wenige Kilometer nach Bischkek radeln. Leider habe ich am letzten Fahrtag starke Magenprobleme und muss mich mehrmals übergeben. Ziemlich entkräftet komme ich im Hotel an, wo wir die letzten beiden Nächte verbringen wollen. Den Rest des Tages verbringe ich mit Ausruhen im Bett, während Wiebke sich auf den Weg zu ihrer lang ersehnten Massage begibt. Zwischendurch unterhalte ich mich länger mit einem Schweizer und einem Deutschen, die mit dem Motorrad bis nach Kirgistan gefahren sind. Ihre Geschichten sind spannend und wecken sofort die Vorfreude auf die nächste Reise. Am Mittwoch besuchen wir das kirgisische Historische Museum und die Kunstausstellung. Außerdem machen wir einen Ausflug zum bekannten Osh-Markt – eine unglaubliche Erfahrung! So viel buntes Treiben, Menschen verschiedenster Nationen, eine Produktvielfalt, die uns den Atem raubt. Wir kaufen eine Glasteekanne, genau so eine, aus der wir auf vielen Stopps während der Reise getrunken haben. In jedem Restaurant wird großartiger Tee aus genau diesen Kannen serviert. Die Kanne kommt sogar unbeschadet in Innsbruck an und zaubert uns bis heute bei jeder Benutzung ein Lächeln aufs Gesicht. Außerdem essen wir noch ein paar mal sehr gut – Bischkek hat eine Vielzahl hervorragender Restaurants zu bieten. Schließlich demontieren wir unsere Räder und verpacken sie in die Pappkartons, die brav im Hotel auf unsere Rückkehr gewartet haben. Damit ist die Reise und dieser Artikel beendet.




Für alle die es interessiert, hier ist ein Link zu unserer Route durch Kirgistan: https://ridewithgps.com/routes/49506531
Alle Bilder aus diesem Beitrag wurden von mir mit einer Fujifilm X100V erstellt.














































































































































































































































































































































































































































































































































